Maultierseite

Maultier und Maulesel

Fast jeder weiß, dass ein Maultier eine Pferdemama und einen Eselpapa hat. Ist es umgekehrt, heißt das Kreuzungsprodukt Maulesel. Beide Formen nennt man auch Muli.

Es gibt leider nur einige wenige deutschsprachige Bücher über Maultiere. Wohl weil die Zucht und der Einsatz von Mulis in Deutschland nie große Ausmaße hatte. Anders in Frankreich, der Schweiz und vor allem in Spanien. Dort sagte man schon vor vielen hundert Jahren „Un mulo es tan noble que un caballo” (Ein Maultier ist genau so edel wie ein Pferd).

Bedeutung des Maultieres

Die geschichtlich wohl größte Bedeutung hatte das Maultier aber bei der Erschließung des U.S.-amerikanischen Westens, so wie in der Landwirtschaft der U.S.A. bis etwa 1940 ohne Mulis fast nichts lief. Im 1.Weltkrieg haben U.S.-Truppen ein recht großes Kontingent an Maultieren zunächst an die Franzosen geliefert und dann selbst mitgebracht. Ein Teil davon blieb in Westdeutschland und wurde auch in der Landwirtschaft eingesetzt. Aber deutsche Bauern haben sich trotzdem nicht ernsthaft mit diesen Hybriden angefreundet. Obwohl Mulis die Nässe des deutschen Winters in aller Regel deutlich besser vertragen als Esel.

Im Wilden Westen

Im Wilden Westen gab es erheblich mehr Mulis vor allem auch als Reittiere von Cowboys und Soldaten als uns die Hollywood-Western glauben machen wollen. Im Film sind es immer nur die „Freaks“ wie Festus Haggen in „Rauchende Colts“, die Langohren reiten. Tatsächlich ritt General George Crook höchst selbst ein Maultier in seinem Feldzug gegen die Nez-Percé-Indianer. Wäre nicht seine gesamte Kavallerie mit Reit- und Tragmaultieren bestückt gewesen – Proviantwagen gab es keine – hätte der legendäre Nez-Percé-Häuptling Chief Joseph mit seinem Volk vielleicht doch nach Kanada entkommen können.

Warum reitet, fährt, schmust oder besitzt jemand Maultiere? Bei der Kavallerie oder der Tragtierkompanie ist Schmusen ganz sicher zweitrangig, da zählt die Härte, Ausdauer, Trittsicherheit und Langlebigkeit dieser Hybriden, die schon den alten Charles Darwin zu der Aussage verleiteten „Mir erscheint das Maultier der einzige Triumph der Kunst über die Natur zu sein“. Obwohl so mancher harte Soldat bestimmt heimlich auch die Schmusebedürftigkeit des langohrigen Partners geschätzt hat.

Wenn Maultiere so toll, so viel besser als Pferde sind, warum reitet dann überhaupt noch jemand ein Pferd? Nun, mit Mulis hat man es nicht unbedingt leichter als mit Pferden. Wer mit Pferden gut klar kommt, muss noch lange nicht mit einem Langohr zu Recht kommen. Sie brauchen mehr Ruhe, Geduld und Konsequenz im Umgang. Maultiere sind sehr klug, fast immer sehr sensibel und zumeist ausgesprochene „Teilzeit-Helden“. Wenn ihnen etwas nicht geheuer ist, haben sie durch die beiden Elterntiere mehr Optionen als ein Pferd. Entweder sie „frieren fest“ wie ein Esel, oder sie scheuen wie ein Pferd. Oder sie kämpfen, treten und beißen sehr gezielt. Aber das ist die allerletzte Möglichkeit, fast immer sind Mulis sehr friedliebend, auch im Herdenverbund.

Das Dümmste, was ein Mensch mit einem ängstlichen und „festgefrorenen“ Muli machen kann, ist ungeduldig zu werden, zu schreien oder gar zu schlagen. Die berüchtigte Störrigkeit des Esels ist schlicht nur Vorsicht und Angst. Wer das weiß und darüber hinaus immer liebevoll und konsequent mit Mulis umgeht, versteht gar nicht, wieso Langohren als störrisch bezeichnet werden.

Maultiere passen sehr gut aus sich auf. Es gilt zu Recht als schwierig bis unmöglich, sie bis zur Erschöpfung zu reiten oder zu fahren. Trotzdem ist ihre Leistungsfähigkeit im Zweifel größer als die von Pferden. Das „All-American-Horse-Race“ von der Ost- zur Westküste wurde 1976 nicht zufällig von einem Maultier-Mann aus Kalifornien gewonnen. Der Mann war zarte 61 Jahre alt und mit zwei Mulis aus Vollblutstuten beritten. So wie die meisten anderen Teilnehmer auch ritt er seine Tiere abwechselnd, eines lief immer an der Hand mit. Nach 89 Tagen erreichte er mit 9 Stunden Vorsprung das Ziel, vor einem arabisch gezogenen Traber-Pferd.

Manche Menschen finden das Deckverhalten von Eselhengsten grauselig und lehnen die Maultierzucht aus ethischen Gründen ab, weil sie einer Pferdestute einen solch rüden Deckakt nicht zumuten wollen. Pferdestuten scheinen da anderer Meinung zu sein. Denn die Mitarbeiter des U.S.-amerikanischen Bureau of Land Management (BLM) beobachten in den Gebieten, wo es reichlich frei lebende Mustangs und „Burros“ (verwilderte spanisch-stämmige Esel) gibt, immer mal wieder wilde Mulis. Dass es Maultiere – also Mutter Pferd, Vater Esel – sind, erkennt man leicht daran, dass sie mit einer Mustangherde herum ziehen. Es ist kaum vorstellbar, dass ein kleiner Burro von 110-115 cm Stockmaß eine schnelle und zähe Mustang-Stute von etwa 140 cm Stockmaß in freier Wildbahn vergewaltigt.

Es war übrigens George Washington höchst persönlich, der die Maultierzucht in den U.S.A. förderte. Er hatte die Leistungsfähigkeit von Mulis in Spanien beobachtet und wusste um die Qualität der spanischen Eselhengste. Die Spanier selbst allerdings auch, denn damals existierte dort ein Exportverbot für Eselhengste. Washington gelang es, den spanischen König für sich zu gewinnen. Als Ergebnis erhielt er einen andalusischen Rieseneselhengst als Geschenk, in der amerikanischen Geschichte als „The Royal Gift“ (das königliche Geschenk) bezeichnet. Der Ankunftstag dieses Eselhengstes Ende des achtzehnten Jahrhundert wird heute in manchen Gegenden als National Mule Day gefeiert. Dieser Hengst soll der Stammvater der „Mammoth Jacks“, einer speziell für die Maultierzucht „produzierten“ amerikanischen Rasse von Rieseneseln gewesen sein.

In Frankreich wird der Baudet du Poitou, ein zotteliger Riesenesel, sowie das Mulassier-Kaltblutpferd (wörtlich „Maultiergeber“) ausschließlich für die Maultierzucht gezogen. Leider ist heute die genetische Grundlage beider Rassen wie auch die der spanischen Riesenesel in Andalusien und Katalonien gefährlich dünn geworden.

Während in Europa Maultiere nur noch von wenigen Enthusiasten gezüchtet und genutzt werden, haben sie in den U.S.A. vor allem im Nordwesten immer noch eine gewisse praktische Bedeutung. Jäger dürfen ihre Jagdbeute selbst bei ausreichender Zahlungsfähigkeit nämlich nicht mit dem Helikopter ausfliegen. Um den Elch oder Hirsch nach Hause zu bringen, eignen sich in den Bergen Maultiere bestens. Auch das umfangreiche Equipment eines Jagd-Camps käme ohne Mulis nicht in die Berge.

Man muss kein „Western-Fan“ sein, um neidlos anzuerkennen, dass es kaum ein Land auf der Welt gibt, in welchem das Muli ein so hohes Ansehen geniest wie in den U.S.A. In Europa und besonders in Deutschland ist das anders, Huftiere mit langen Ohren gelten als Tiere von armen Leuten. Vielleicht ist das besser so für viele ungeborene Mulis, denn man sagt nicht umsonst „Mit einem Maultier MUSST Du so umgehen, wie Du mit einem Pferd umgehen solltest“. Unglückliche Pferde gibt es in Deutschland schließlich genug…